Kitzbüheler Anzeiger
19.12.2023
News  
 

Faszination Skibergsteigen

Einsame Berghänge besteigen und durch unverspurten Pulverschnee ins Tal schwingen – Skitouren boomen. Und doch kann ein einziger Fehler tödlich sein. Tirols oberster Bergführer Tom Rabl setzt auf gute Vorbereitung, viel Übung und rät jedem Skitourengeher zum Besuch eines Lawinenseminars. Die Mitnahme von LVS-Gerät, Sonde und Schaufel sind Pflicht!

Der Winter steht vor der Tür und die erste Skitour rückt in greifbare Nähe. Da ist die richtige Planung die halbe Miete. Wie zum Saisonstart wirklich alles so funktioniert, wie es soll, weiß Skitour-Experte Tom Rabl. Der Erpfendorfer ist mit Leib und Seele Bergführer und steht seit einigen Jahren dem Tiroler Bergsportführerverband als Präsident vor. Dass Skitouren – ob auf der Piste oder im freien Gelände – boomen, bestätigt er: „Dieser Sport ist unglaublich populär geworden. Als ich vor über 30 Jahren, noch als Bub, damit angefangen habe, war es ein Altherrensport“, erzählt Rabl, der überdies Vorsitzender der Lawinenkommission in Kirchdorf ist.

Ausrüstung ist viel besser geworden
„Das Skitourengehen ist in den letzten Jahren noch lässiger geworden, auch weil die Ausrüstung sich verbessert hat“, ist Rabl überzeugt. Doch schon ein einziger Fehler im freien Gelände kann tödlich sein – da hilft dann auch die beste Ausrüstung nichts. „Es ist in den vergangenen Jahren schon besser geworden, die Leute wissen, dass es nicht ungefährlich ist. Allerdings kommt bei uns keiner auf die Idee, einfach eine Tauchausrüstung zu kaufen und ein bisserl zum Tauchen zu gehen. Da würde jeder einen Kurs machen. Geht es aber um Skitouren, denken die wenigsten an eine Ausbildung“, schüttelt der Bergführer den Kopf. Ein dreitägiger Anfängerkurs koste um die 300 Euro. „Der geht sich nicht mehr aus, der Ski um 1.000 Euro ist aber schon drin“, fehlt Rabl da das Verständnis. Vom Lawinenseminar bis hin zum Technikkurs wird vieles angeboten – auch kostenlose Angebote gibt es. (Infos unter  www.kitzbuehelerbergfuehrer.at/winter/). Meist seien es übrigens Frauen, die diese Kurse belegen. Männer seien eher unter dem Motto „Ich kenn mich schon aus in den Bergen“ unterwegs. Eine Einstellung, die unter Umständen tödlich enden kann. Auf der Piste brauche man nicht viel zu wissen, im Gelände sei die Sache schon sehr viel komplexer, appelliert der Bergführer an die Sportler, einen Kurs zu besuchen. „Es macht ja auch mehr Spaß, wenn man die richtige Technik für das freie Gelände beherrscht“, ist er übezeugt.

LVS, Sonde und Schaufel sind Pflicht
Der Besuch des Lawinenseminars ist eine Sache, die Ausrüstung noch einmal eine ganz andere. „LVS-Geräte, Schaufel und Sonde müssen dabei sein“, stellt Tom Rabl klar. Das sei die sogenannte „Verkehrsnorm“ – also gesetzlich vorgeschrieben. Ein Lawinenairbag sei ein zusätzlicher Gewinn. „Solange ich nicht mein Sicherheitsverhalten ändere. Denn wenn ich dann riskant fahre, dann habe ich meinen Gewinn schon verspielt“, so Rabl. Doch die perfekte Ausrüstung allein reicht nicht, betont der Bergführer. „Ich muss mich schon damit befassen, immer wieder den Umgang mit den Geräten üben“, rät er. Ein Lawinenabgang ist eine immense Stresssituation. „Im Extremfall muss die Handhabung mit der Ausrüstung automatisch gehen, daher muss ich mich gedanklich damit immer wieder befassen.“ Üben, Üben, Üben lautet sein Rat, um im Notfall gewappnet zu sein. Eltern sollten ihren Kindern schon das richtige Verhalten im freien Skiraum beibringen und sie in Kurse schicken oder auch mit ihnen trainieren. Großen Wert legt Tom Rabl auf die richtige Tourenplanung.

"Zum einen muss ich mich mit dem Wetterbericht, zum anderen mit dem Lawinenlagebericht genau auseinandersetzen. Auch die richtige Ausrüstung ist wichtig. Doch es zählt besonders der Faktor Mensch“, erklärt der Experte. Auch das müsse nämlich genau zusammenpassen. „Die Frage ‚Wer geht mit mir?‘ ist eine wichtige. Denn nach dessen Können, sollte die Tour ausgewählt werden.“ Fit zu sein, reiche da nämlich nicht aus, es gehöre auch Abfahrtskönnen dazu. Die körperliche Vorbereitung sei das A und O. „Das Gelände ist eben keine Piste“, unterstreicht Rabl.

Warnstufen ernst nehmen
Die Lawinenwarnstufen sind ebenfalls ein wichtiger Gradmesser für die Auswahl der Tour. Warnstufe fünf ist bei uns sehr selten, vier gibt es schon öfter. „Relativ oft haben wir Warnstufe drei. Da passieren die meisten tödlichen Unfälle“, so die Erfahrung Rabls.

Am häufigsten würde die Stufe zwei ausgerufen. Hier sei der Unterschied sehr groß ,so Rabl. „Meiner Erfahrung nach befasst man sich mit dieser zu wenig. Doch auch hier gilt es das Verhalten anzupassen. Beispielsweise übe ich mich am ersten schönen Tag nach dem Schneefall in Zurückhaltung“, rät Rabl. Denn auch bei Warnstufe zwei kann es natürlich zu einem Lawinenabgang kommen. Tourengeher sollten daher das Gelände immer genau unter die Lupe nehmen.

Tom Rabl – der gerade mit seiner Familie von einer Trekkingtour in Nepal zurückgekehrt ist – steht schon in den Startlöchern für die kommende Tourensaison und stellt deutlich klar: „Eine gute Vorbereitung ist die halbe Miete, vor allem muss die Sicherheitsausrüstung – hier vor allem das Lawinenverschüttetensuchgerät (LVS) – vor jeder  Skitour genau überprüft werden!“

Text: Margret Klausner
Fotos: Mathäus Gartner 

 
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