Ukrainer sind heimisch geworden
Als am 29. März 2022 die ersten ukrainischen Geflüchteten im Bezirk ankamen, war das Chaos groß. Zwei Jahre später leben nach wie vor 500 Ukrainer im Bezirk – viele von ihnen bereits in eigenen Wohnungen und mit fixen Arbeitsplätzen.
St. Johann | Wenn sich Melanie Hutter an den 29. März 2022 zurückerinnert, dann vor allem an eines: Chaos. „Ich habe erst zwei Tage vorher erfahren, dass zwei Busse mit Geflüchteten aus der Ukraine zu uns kommen sollen“, erinnert sich die Leiterin des Freiwilligenzentrums Pillerseetal-Leukental.
Die 90 Menschen, meist Frauen und Kinder, hatten eine Odyssee durch Österreich hinter sich und hatten Furchtbares erlebt. Organisiert sei damals ja nichts gewesen. Es war nicht einmal klar, wie die Unterbringung ablaufen soll. Eine Welle der Hilfsbereitschaft rollte durch St. Johann – viele Freiwillige kamen, um zu helfen. „Wir haben dann zu viert sozusagen die Rezeption organisiert und uns um die Zimmerbelegung gekümmert. Da standen dann Frauen mit nur zwei Sackerln in der Hand vor uns, oft auch mit weinenden Kindern an der Hand“, erinnert sich Hutter.
Jetzt, zwei Jahre später, leben nach wie vor über 500 Geflüchtete im Bezirk. Die meisten in St. Johann und Kirchberg, weiß Hutter, die gleich mit Gerüchten aufräumt. Wenn etwa Autos von einer Reinigungsfirma vor der Unterkunft in St. Johann stehen, „dann nicht weil das Haus geputzt wird, sondern weil viele Ukrainer dort arbeiten und mit dem Firmenauto heimfahren dürfen.“
Eine große Hilfe für die geflüchteten Menschen ist die Koordinationsstelle, die beim Regionalmanagement bzw. Freiwilligenzentrum in Hochfilzen eingerichtet ist. Anisa Tassellari, die selbst als Kind aus Albanien geflüchtet ist und inzwischen mit ihrer Familie in Fieberbrunn lebt, hilft Ukrainern, im Bezirk Fuß zu fassen Sie hilft bei der Arbeitssuche und unterstützt, wo Hilfe benötigt wird. Sie sei die perfekte Besetzung für diesen Job, streut Hutter Tassellari Rosen.
Warten auf Zusage des Landes Tirol
„Das Projekt wurde vom Land Tirol für ein Jahr finanziert, jetzt warten wir dringend auf die Verlängerung“, sagt Hutter. Es habe bereits positive Signale seitens des Landes gegeben. „Ich hoffe, dass wir bis Anfang 2024 die Förderzusage haben, damit wir mit der so wichtigen Arbeit weitermachen können“, sagt Hutter. Es habe vor allem geheißen, dass das Projekt, das in Hochfilzen seinen Anfang nahm, tirolweit angedacht ist.
Nach wie vor, so Melanie Hutter, seien viele Freiwillige – nicht nur in St. Johann – für die Geflüchteten im Einsatz. Viele Ukrainer seien heimisch geworden, der Großteil arbeitet, die Kinder sind in Schule und Kindergarten, haben hier Freunde gefunden. „Das größte Problem ist leider bei der Arbeitssuche nach wie vor die Sprache“, weiß Hutter. Doch auch hier sind viele Freiwillige im Einsatz und geben kostenlosen Deutschunterricht. Dass die Arbeitskraft der Ukrainer im Bezirk begehrt ist, kann Hutter nur bestätigen. Das habe etwa eine eigene AMS-Messe in der Alten Gerberei gezeigt.
Natürlich warten die Menschen auf ein Ende des Krieges.Gerade bei den vielen Frauen, deren Männer in die Heimat zurückgekehrt sind, herrscht oft Verzweiflung und Angst um die Liebsten. Da hilft dann die Normalität, die jetzt in den Unterkünften im ganzen Bezirk eingekehrt ist, nur bedingt. Margret Klausner
Bild: Oft ist es die Sprache, die für die ukrainischen Flüchtlinge vor allem bei der Arbeitssuche zu Problemen führt. Deutschkurse, die vor allem von Ehrenamtlichen abgehalten werden, werden gerne angenommen. Foto: Hutter
Daten und Fakten
Ukrainer sind heimisch
➤ Im Bezirk leben derzeit 515 Personen, die vor dem Krieg in der Ukraine geflohen sind.
➤ Die meisten Geflüchteten leben in St. Johann (187) und in Kirchberg (83). In Oberndorf sind 37 Menschen untergebracht. Viele haben sich bereits selbst Wohnungen gesucht. Der Großteil arbeitet bereits – viele in der Gastronomie oder bei Reinigungsfirmen.
➤ Unter den Geflüchteten sind 331 weiblichen Geschlechts, 184 männlichen Geschlechts.
➤ Fast die Hälfte der Frauen, 45 Prozent insgesamt, sind Erwachsene. Bei den Männern sind 16 Prozent erwachsen.
➤ Viele Kinder sind mit ihren Müttern nach Tirol gekommen. 14 Prozent sind zwischen null und sechs Jahre alt, 23 Prozent sind zwischen sieben und 17 Jahre alt.
➤ Auch viele ältere Menschen haben ihre ukrainische Heimat verlassen. Rund sieben Prozent der Geflüchteten, die im Bezirk leben, sind über 65 Jahre alt.